
Ein Erfahrungsbericht von Emilia K., Klasse 11
Über die Erde wachen, die Welt vernetzen, das Weltall erforschen, den Weltraum sicherer machen – seit 50 Jahren widmet sich die Europäische Weltraumorganisation (ESA) der Erforschung und friedlichen Nutzung des Weltraums und ist für zahlreiche Missionen im Weltall verantwortlich. Doch wie steuert man Satelliten, die mit 28.000km/h die Erde umkreisen? Was haben Satelliten mit der Wettervorhersage und dem Klimawandel zu tun? Und wie lange dauert ein Flug zum Mars?
Antworten auf diese und viele weitere Fragen sollte ich bei meinem Betriebspraktikum im European Space Operations Centre (ESOC) der ESA in Darmstadt finden. Seit 1967 ist das Zentrum für den Betrieb und die Überwachung sämtlicher ESA-Satelliten verantwortlich. Gemeinsam mit drei weiteren Praktikantinnen aus anderen Schulen arbeitete ich dort in der Praktikumszeit vom 24.03. bis zum 04.04.2025 an unterschiedlichen Projekten. Da die ESA eine internationale Organisation ist und sich im ESOC Angestellte von etwa 20 unterschiedlichen Nationalitäten finden, fand das gesamte Praktikum auf Englisch statt.
Ablauf und Überblick
„Good morning everybody!“ – mit diesen Worten wurden wir am ersten Tag im ESOC von unserem Tutor begrüßt, der uns das Praktikum über begleiten sollte. Von Mars-Missionen bis zur Datenübertragung an Satelliten erwarteten uns Einblicke in verschiedenste Fachbereiche durch tägliche Präsentationen von ESOC-Mitarbeitenden. Ebenso erhielten wir Projekte, an denen wir eigenständig arbeiteten.
Einen Überblick über das ESOC bot uns unsere erste Präsentation: Das ESOC gliedert sich in mehrere Abteilungen mit vielfältigen Aufgaben, angefangen bei der Missionsplanung. Die Berechnung von Flugbahnen, Datenanalyse, der Satellitenbetrieb und die Missionsüberwachung zählen hierbei ebenfalls zu den Zuständigkeitsbereichen des ESOC. Beschäftigt werden dort etwa 800 Mitarbeitende, davon 270 Festangestellte.
Erste Aufgaben: Erdbeobachtung und Orbit-Simulation
Wie vielseitig Satelliten eingesetzt werden, zeigte sich gleich bei unserer ersten Aufgabe: Zum Thema „Erdbeobachtungsmissionen“ recherchierten wir Informationen zu verschiedenen Fragen und stellten die Ergebnisse unserem Tutor in einer Präsentation vor. Dabei stand besonders die Satellitenmission „Sentinel-2“ im Fokus. Dieses Wissen konnten wir direkt anwenden: In der nächsten Aufgabe simulierten wir mit dem NASA-Tool „GMAT“ die Umlaufbahn eines Sentinel-2-Satelliten und erkundeten die Bedeutung verschiedener Parameter. Wann ist ein runder Orbit sinnvoll, wann eine elliptische Bahn? Wie lange bleibt der Satellit im Erdschatten, und reicht die Energieversorgung? Spätestens hier wurde klar, wie komplex schon die Planung eines Satellitenbetriebs ist.
Einblick in die Technik hinter den Missionen
Doch wie steuert man eigentlich einen Satelliten? Die ESA nutzt dafür ein weltweites Netz an Bodenstationen mit Antennen von bis zu 35 Metern Durchmesser. Diese senden per Radiowellen Befehle an die Satelliten und empfangen im Gegenzug deren Daten und Bilder. Auf diese Weise lassen sich etwa Wetterdaten, zum Beispiel für Wettervorhersagen, erheben, Eisschichten vermessen oder der Meeresspiegel überwachen. Auch bei Naturkatastrophen leisten Satelliten wertvolle Dienste: Sie ermöglichen es, überschwemmte Regionen zu kartieren und sichere Gebiete zur Evakuierung zu identifizieren. Um eine vollständige Karte der Erde zu erstellen, benötigt ein Satellit der „Sentinel-2“ – Mission beispielsweise zehn Tage.
Von den Daten zur Diagnose: Ingenieursarbeit im ESOC-Alltag
Im ESOC finden sich verschiedenste Fachrichtungen. Wer hier arbeiten möchte, bringt ein Masterstudium, zum Beispiel in Physik, Mathematik, Ingenieurwesen oder Informatik, mit. Die verschiedenen Bereiche wurden besonders bei unserer dritten Aufgabe deutlich: Wir analysierten Sensor-Daten von Sentinel-2-Satelliten und versuchten, deren Bedeutung zu entschlüsseln. Später untersuchten wir die Telemetrie, also die übertragenen Daten eines Manövers, das ein Satellit durchgeführt hatte, und mussten die Ursache für das Manöver herausfinden. Unser Tutor riet: „Always start bei working backwards from a problem.“ So arbeiteten wir uns durch die Graphen, diskutierten Hypothesen und entwickelten Erklärungen. Eine wichtige Fähigkeit, denn Satelliten müssen von Zeit zu Zeit Ausweichmanöver fliegen – sei es wegen anderer Satelliten oder Weltraumschrott. Beim Umgang mit dem Weltraumschrott spielt das ESOC ebenfalls eine zentrale Rolle, um die Zukunft der Raumfahrt zu sichern. Gleichzeitig wird auch an Satelliten zur Abwehr potenziell gefährlicher Asteroiden geforscht.
Selbst dabei sein: Simulation einer echten Satellitenmission
Gleich zu Beginn des Praktikums beeindruckte mich ein Raum besonders: der Main Control Room, das Herzstück des ESOC. Mit seinen zahlreichen Bildschirmen, Headsets und der schummrigen Beleuchtung erinnert er an einen Science-Fiction-Film. In einer Simulation übernahmen wir mit den anderen zu der Zeit anwesenden Praktikantinnen und Praktikanten die Rolle eines echten Satellitenstart-Teams – inklusive Headset-Kommunikation und Entscheidungsverantwortung. Auch wenn wir beinahe die Kamera des simulierten Satelliten durch falsche Einstellungen zerstört hätten, war es eine eindrucksvolle Erfahrung, die Komplexität und Verantwortung hinter solchen Missionen selbst zu erleben. Die ESA-Mission „Mars Express“ etwa benötigte sieben Monate bis zum Mars – ein Beispiel dafür, wie präzise Planung und Steuerung sein müssen.
Ergebnisse im Fokus: die Abschlusspräsentation
Den Abschluss des Praktikums bildete unsere Präsentation im Pressesaal des ESOC, wo wir unsere Ergebnisse der letzten zwei Wochen vor mehreren Mitarbeitenden und den anderen Praktikantinnen und Praktikanten vorstellten. Diese Erfahrung rundete die Praktikumszeit im ESOC noch einmal ab.
Fazit: Raumfahrt zum Anfassen
Eine Mitarbeiterin beschrieb das ESOC einmal als Ort, an dem „nerdige Leute sich um ihr Satelliten-Baby kümmern“. Nach meiner Zeit im ESOC kann ich diesem nur zustimmen. Ich durfte nicht nur spannende Einblicke in reale Raumfahrtmissionen gewinnen, sondern auch ein inspirierendes Umfeld mit engagierten Menschen erleben. Dieses Praktikum war fachlich wie persönlich eine echte Bereicherung.



