Wider den Beschleunigungswahn – Seminar zur Hochbegabtenförderung

Am Abend des 23.11.2015 besuchte Ministerialrat Walter Diehl, der Referatsleiter Hochbegabtenförderung im hessischen Kultusministerium, das Litauische Gymnasium. Im Schlosssaal informierte er Lehrer und Eltern der Schule, die seit 2010 das Gütesiegel besitzt, über den aktuellen Stand der Hochbegabtenförderung in Hessen.

Am Abend des 23.11.2015 besuchte Ministerialrat Walter Diehl, der Referatsleiter Hochbegabtenförderung im hessischen Kultusministerium, das Litauische Gymnasium. Im Schlosssaal informierte er Lehrer und Eltern der Schule, die seit 2010 das Gütesiegel besitzt, über den aktuellen Stand der Hochbegabtenförderung in Hessen.

Ministerialrat Diehl arbeitet seit 28 Jahren im Kultusministerium und beschäftigt sich seit 17 Jahren intensiv mit der Förderung von Hochbegabten. Zunächst sprach er der Schulleiterin des Litauischen Gymnasiums, Janina Vaitkiene, seinen Dank aus, dass auch das Litauische Gymnasium in der Hochbegabtenförderung dabei ist. Er sagte, an dieser Schule herrsche ein besonders gutes Klima und man kümmere sich um soziale Reifung der Schülerinnen und Schüler. Das Gütesiegel wird im kommenden Jahr für weitere drei Jahre verlängert werden. An der in der Schule geplanten Veranstaltung zur Hochbegabtenförderung am 13. Februar 2016 mit zwei Professoren werde auch er teilnehmen, sagte Diehl.

In Hessen werde versucht, Hochbegabtenförderung im Rahmen der wissenschaftlich-empirischen Forschung in die Realität umzusetzen. Diehl sagte, intellektuell hochbegabte Schüler verfügen über exzellente kognitive Fähigkeiten, unterscheiden sich in aller Regel sonst aber kaum von ihren (anders begabten) Alters- und Klassenkameraden. Unter ihnen gibt es auch eine statistisch kleine Gruppe von Hochbegabten mit Problembelastung, die besonders gefördert werden müssen. Unter anderem sprach der Ministerialrat von Forschungsprojekten, in dem der Intelligenzquotient von G 8- und G 9-Abiturienten gemessen wurde. Dabei gab es ein verblüffendes Ergebnis: Der IQ von Schülern, die 13 Jahre die Schule besuchten, war um acht, in einer anderen Studie sogar um elf Punkte höher als derer, die früher ihr Abitur machten. Im Durchschnitt steigert der Schulbesuch monatlich den IQ um etwa einen halben Punkt. Gegen Ende seines Vortrags sagte Diehl, dass Hessen es sich schwerer macht als andere Bundesländer. Hochbegabte werden hier nicht nur in Gymnasien, sondern auch in Grundschulen, Realschulen, Förderschulen und beruflichen Schulen gesucht und gefördert.

Schulleiterin Vaitkiene bedankte sich beim Referenten und bemerkte, dass ihre Schule zu G 9 zurückkehre. Das gebe eine große Steigerung des IQs bei den Absolventen. Spaßeshalber meinte sie, vielleicht sollte man über G 10 nachdenken. In der anschließenden Diskussion sagte Elternvertreterin Judith Hörl, dass sie es bedauere, dass außer ihr niemand sonst aus der Elternschaft zu diesem Informationsabend gekommen sei, schließlich waren alle Eltern eingeladen.

Auf ihre Frage, was für einen Tipp Diehl speziell den Eltern zu geben habe, antwortete er folgendes: Auf keinen Fall sollten Eltern mit ihren Kindern zu kommerziellen Anbietern von IQ-steigernden Maßnahmen gehen, besonders nicht mit Kindern unter sechs Jahren. Denn dann besteht im Gegenteil die Gefahr, dass der IQ in der Schule sinken wird, und auch die Lebenserwartung verkürze sich. Auf keinen Fall, sagte der Ministerialrat, sollte man mit Kindern unter sechs Jahren IQ-Tests machen.

Und was kann man sonst noch machen? Viel Zeit mit den Kindern verbringen, Märchen erzählen, Geschichten vorlesen und möglichst spät einschulen (in Finnland beginnt die Schulpflicht erst mit sieben Jahren).

Anthony Verselis
Lampertheimer Zeitung
25.11.2015